Die Muthmannsreuther Bluttat

Die Bluttat des grausamen Raubritters Hans Thomas von Absberg, „dem Händeabhacker“, hängt mit der Geschichte Glashüttens zusammen, denn der Täter ging vom Glashüttner Schloss aus und kehrte nachher wieder dahin zurück. Auf Glashütten saß damals Siegmund I. von Wirsberg (1513-1543).

Drei dicke Foliobände in der Kriegsstube des Nürnberger Rathauses können kaum alle Schandtaten dieses Feindes der Reichsstadt fassen. Wenn er Nürnberger zu fassen bekam, hieb er den unschuldigsten Leuten die rechte Hand ab. Schon seit 1512 war er in der Reichsacht. Von Eppelein von Gailingen hatten seine Ahnen und er die kühne Verwegenheit gelernt. Ritter Hans Thomas von Absberg – seine Stammburg lag zwischen Spalt und Gunzenhausen – mit roten Kopf- und Barthaaren befahl seinen drei besten Knechten Veit, Jörg und Enderlein: Wen ihr hier vom Bund und der Stadt trefft, dem haut die Hände ab und wer sich wehrt, den erstecht! Thomas fand in Krögelstein bei seinem Freund Wolf von Giech, in Truppach bei Wolfheinrich von Aufsess, bei Jörg von Wildenstein in Nordeck, bei den Sparneckern auf dem Waldstein und bei den Guttenbergern stets ein offenes Haus.Die Bluttat selbst geschah im „tiefen Weg am Armensünderhügel“ einem richtigen Räuberwinkel, in dem schon Reithannes, Schüttensamen und Hans Büttner ihr Unwesen getrieben haben. Hier grenzten Bistum Bamberg und Markgrafentum Bayreuth aneinander und ließen den Verbrechern die Wahl, in welches Land sie flüchten wollten. Auch die Oberpfalz war nicht fern. Hier mündete in die alte Hochstraße Bayreuth – Pottenstein – Nürnberg ein Handelsweg, der von Bamberg kam. Dessen Verlauf wird im Lehenbuch des Markgrafen Johann von 1422 wie folgt beschrieben: „Bamberg – Hollfeld – Appenberg – Wansskau – zwischen Leinburg und Harlandt über den Zochenbrunnen hin (hier sind heute noch fünf tiefe Hohlwege nebeneinander sichtbar) zwischen der Boppenreuth, der Eppenau und des Markgrafen Johannsen Holz, am Steinbruch genannt, und fürter unter des Mistelbecken Holz die Straßen hin bis auf den alten Fallgatter (Bärenfalle) und Mutmannsreuth“. Hier im dichten Wald hatte schon der Raubritter Schüttensamen auf seiner Burg Poppenrod gehaust. Die Höhe 579 gestattete den Frevlern nach allen Seiten eine gute Aussicht.

Die Tat hat sich nach verschiedenen Berichten wie folgt abgespielt: Am 5. August 1522 waren Wolf Strauss, ein Eisenkrämer, Fritz Neithart, ein Feilenhauer, und Sebastian Marquart, ein Lehrknecht auf der Heimreise vom Jahrmarkt zu St. Annaberg nach Nürnberg. Müde und hungrig kehrten sie vormittags 10 Uhr im Wirtshause des Erhart Mann, am Tor gelegen, zu Bayreuth ein. Zwei Tage vorher waren 13 Reiter des Absbergers nachts nach Streitberg gekommen, wo sie nicht beherbergt wurden und nach Krögelstein und Truppach weiterreiten mussten. Tags darauf in Glashütten versammelt, verkleideten sie einen Vogler, der dem Siegmund von Wirsberg im Schloss Vögel gebracht hatte, in Reiterkleider und liehen ihm einen Gaul, damit er in Bayreuth nachsehe, ob nicht Kaufleute aus Nürnberg herkommen. Die drei Nürnberg aßen gerade zu Mittag, da kam ein Reiter in die Stube, ein kleines Männlein, flickte an einem alten Mantelsack, fragte die Männer aus und ritt zum Tor wieder hinaus nach Glashütten, um die Raubritter zu verständigen. Diese begaben sich an die schon bezeichnete Stelle, wo sie den Reisenden auflauerten.

Die Nürnberger gingen über Forkendorf harmlos der Heimat zu, wurden aber in der Sommerhitze so müde, dass sie bei Hans Mayer auf der Forkendorfer Mühle sich Pferde bis Hohenmirsberg mieteten. Auf einem vierten Gaul ritt der Bauer selber mit, um seiner Tiere sicher zu sein. Als sie am „tiefen Weg“ ins Bambergerische kamen, zogen ihnen zwei Reiter nach, von denen jeder ein bloßes Schwert in der Hand hatte. Auf die Frage woher sie kämen, antworteten sie „von St. Annaberg“ und Strauss setzte hinzu: „Wo ich hinkomme, da bin ich daheim.“ Sie sollten nun umkehren und mit den Rittern reiten. Strauss wollte das nicht. Da schlug ihn der eine Reiter mit dem Schwert über den Kopf, dass sich die Klinge bog und ihm das Blut über den Kopf herabströmte. Dann setzte er ihm das Schwert an den Hals und mit der anderen Hand fasste er ihn oben am Goller. Unterdessen kam noch ein dritter Reiter heran.
Nun mussten die Nürnberger und der Bauer mit ins Holz hineinreiten bis an eine Leite, an der noch mehr Reiter sichtbar wurden. Hier stieg der Ritter, der sie gefangen hatte, ab. Er war ein langer, stattlicher Geselle, der einen roten Bart zu beiden Seiten hatte – der Absberger selbst. Nachdem er die Gefangenen genötigt hatte ihre Röcke auszuziehen, fragte er: „Ist kein Dissacken (=kurzes Messerschwert) da? Ich muss einmal werken, hab lange nichts gewerkt, will auch ein Weil Meister sein!“ Nachdem ihm ein Dissacken gebracht wurde, nötigte er den Strauss vor einer Köhlerhütte seine rechte Hand auf einen Stock zu legen. Fünf Hiebe führte er auf die Hand, ehe er sie ihm abgehauen und zuletzt schnitt er sie ihm mit einem Messer erst noch vollständig ab. Dann kam Neidhart an die Reihe. Auch er bat, ihm seine Glieder zu lassen, denn er sei ein armer Handwerksmann. Es halt ihm nichts. Seine Hand fiel nach zwei Hieben. In Schmerz und Schrecken lief er davon, ohne zu wissen was er tue. Er stürzte jedoch bald zu Boden und glaubte, sein Ende sei gekommen.
Jetzt sollte auch der Lehrknecht drankommen. Der Knecht Veit aber, der für seinen Herrn, den Absberger, Edelmannstracht trug, erbarmte sich des jungen Blutes und sagte: „Diesen will ich mit behalten, er ist ein junger Mensch und mag noch etwas aus ihm werden.“ Er fragte darum den Jungen: „ Hast schon Bart geschoren?“ „Nein.“, sagte dieser, „Ich hab noch nit Bart geschoren.“ Darauf sagte Veit zu seinem Herrn: „Lasst ihn laufen!“ Das bewilligte der Absberger und ließ den Jungen schwören, die zwei abgeschlagenen Hände dem Bürgermeister von Nürnberg zu bringen mit den Worten: „Der diese Tat getan heiße Hans Thomas von Absberg und wolle ihnen allen also tun. Hans Thomas habe noch einen Schwertsknopf, in diesen müsse der Bürgermeister noch beißen, dass ihm das Feuer aus den Augen springe.“ Dem Jungen gab er seinen Gürtel zurück, die Armstümpfe der Krüppel zu umschnüren, damit diese nicht verbluteten. Geld und Waffen behielten sie. Als sie hörten, dass der Bauer markgräflich war, entließen sie ihn frei mit den Pferden. Der Junge Lehrknecht holte aus dem Dorf Muthmannsreuth Bauern herbei, welche die zwei Verwundeten, die nicht gehen konnten, in ihr Dorf und anderen Tages nach Nürnberg fuhren.

Bei der Tat waren Wolfheinrich und Jörg von Aufsess, Christoph Marschalk von Pappenheim, Jörg Wolf von Giech und etwa 15 von ihren 70 Knechten mit 20-30 Pferden dabei. Nachher hatten sie Unterschlupf in den Schlössern Eckersdorf (Plassenberger und Kindsberger) und Glashütten, lösten sich auf und der Absberger ritt nach Sparneck und Böhmen. Nürnberg aber kochte vor Wut und klagte sofort beim Reichsregiment. Das Schauerdrama fand seine Fortsetzung in der Zerstörung von 20 Adelsburgen im Jahr 1523 im Oberland durch den Schwäbischen Bund und Nürnberg. Die Ritter mussten den Purgationseid (=Reinigungseid) leisten „daß sie weder dem Absberger noch Rosenberg noch Marschalk noch ihren Helfern und Knechten, weder selbst noch durch ihre Diener beigestanden, sie auch nicht behaust, behoft, geätzt, getränkt noch sonst unterstützt haben“. Die Angeklagten waren zu dieser Purgation nach Nördlingen vorgeladen. Mit Cunz Schott bat dort auch Siegmund von Wirsberg den Markgrafen um Schutz. Man sagte hernach, dass viele der Ritter falsch geschworen und nur ihren Mutwillen gebraucht hätten.

Der „Armensünderhügel“ war früher eine Richtstätte, für die man gerne Straßenkreuzungen und belebte Stellen nahm. Hier hat 1464 nach dem Bayreuther Stadtbuch das Bayreuther Gericht zwei Pferdediebe am Galgen hängen und einen dritten enthaupten lassen. Dann schreibt Albert Groß von Trockau 1479 in der Pfingstwoche an den Rat der Stadt Bayreuth: „Hansen Klaybers von Augsburg Hausfrauen, die habe einen Kram auf der Gnade von Trockau, da St. Oswald rasten tut, feil gehabt und als sie anher gewollt, sei sie auf dem Wege am Armensünderhügel beraubt worden. Das haben getan und sie gefangen weggeführt Hannss Bütner zu Forderkleba und etliche andere mehr.“ Die arme Händlerin saß von St. Oswald (am 5. August) fast ein ganzes Jahr gefangen, bis sie Bayreuth befreite.

In Hellers Chronik 1479 wird von einem „Schüttensamen“ auf Schloss Poppenroth am Armersünderhügel erzählt. Besonders seine Söhne waren als Raubritter gefürchtet. Durch Verrat und List eines Knechtes wurden der eine Sohn und zwei Knechte von den Nürnbergern gefangen. „Er kam nach Nürnberg in das „Kapellelein“ da man die Räuber einwiegt in der Stachelwiege. Darin dehnt man seine Haut, was den von Nürnberg hat getan, das sagt er überlaut.“ Schüttensamen musste den Feuertod erleiden, sein Bruder Konrad wurde mit zwei Knechten in Bamberg am 13.09.1474 mit dem Schwert gerichtet.

Ein Bericht aus der Glashüttner Chronik, aufgeschrieben von Oberlehrer a.D. Eduard Müller