Die Wohnstatt Wotans
Die Neubürg galt lange als Sitz des nordischen Göttervaters. Alljährlich hielt Wotan an zwölf heiligen Nächten nach der Wintersonnwende (zwischen Weihnachten und dem Heiligen Dreikönigstag) auf dem Berg den großen Götterrat. So kamen alle Götter Nordgermaniens auf der Neubürg zusammen. Sie saßen auf dem Berg in großen Stühlen und waren mit Sternen geschmückt, die sie vom Himmel geholt hatten. Wenn die Götter Ablenkung suchten, gingen sie in Wotans Gehege jagen. Als Diener hatte Wotan zwölf Zwerge, die im Inneren des Berges lebten. Außerdem standen neben seinem Thron stets zwölf junge feurige Männer und zwölf Blumengeister. All diese begleiteten ihn überall hin und standen ihm stets zu Diensten. Die Männer hatte Wotan vom Sonnengott bekommen, die Blumengeister machten die Erde fruchtbar und säumten seinen Weg stets mit Blumen.Für die Germanen war die Neubürg eine überregionale Kultstätte. Jedes Jahr kamen sie zur Sommersonnwende in Scharen heran und schlugen ihr Lager rund um den Berg auf. Auf dem Berg selbst lebte die große Wotanspriesterin. Bei den großen Kultfesten stand sie auf dem Plateau und betete mit offenen Händen zum Göttervater. Paarweise zogen die Germanen schweigend in einem langen Prozessionszug an der Priesterin vorbei. Sie wanderten sieben Mal um die Neubürg und erflehten so Wotans Segen. Erhob sich ein Sturm warfen sich alle zu Boden, denn dann nahte der Gott. Man glaubte, dass sich im Inneren des Berges die unermesslichen Schätz Wotans befinden. Jedoch wagte es niemand auch nur einen Spatenstich zu tun.
Die letzte Wotanpriesterin
Die letzte Wotanpriesterin auf der Neubürg war Wonnefried. Sie war sehr gläubig und nahm ihr Keuschheitsgelübde durchaus ernst. Bei Sonnenaufgang flehte sie bereits beim ersten Lerchengesang zum Himmel und am Abend war sie die Letzte, die in der Dämmerung die Ehrwege um den Berg antrat. Bei einem der Sonnwendfeiern kam ein gewisser Edron auf den Gottesberg und entbrannte augenblicklich in Liebe zu Wonnefried. Daher ging er nicht mit den anderen zurück, sondern schlug sein Lager am Fuße der Neubürg auf und warb täglich um die Priesterin. Wonnefried betete zu ihrem Gott, er möge ihr die Kraft geben der Versuchung zu wiederstehen. Schließlich erlaubte sie Edron in ihrer Nähe zu bleiben, wenn er ebenfalls Enthaltsamkeit verspreche. Er willigte ein und wurde so Priester neben der Priesterin. Oft saßen sie gemeinsam am Wotansaltar und verehrten Hand in Hand ihren Gott.
Die Christen kommen
Diese glücklichen Jahre währten nicht ewig. Eines Tages kamen die ersten Christen von Westen. Zuerst versuchten sie die Germanen mit Worten zu bekehren, dann zwangen sie sie gewaltsam ihren Göttern abzuschwören. Der Priesterin brach das Herz, als sie hörte wie ein Stamm nach dem anderen von Wotan abfiel. Sie überredete Edron ein Heer an Getreuen gegen die Christen zu führen. Er nahm sein Schwert und versammelte Anhänger des alten Glaubens. Die Anhänger des Christentuns waren jedoch bereits zahlenmäßig überlegen und die Schlacht ging verloren. Wonnefried und Eldron beweinten die vielen Gefallenen und die Christenheit verbreitete sich immer weiter.
Eines Tages wurde den mittlerweile alten Priestern zugeflüstert, dass die Christen den großen Wotansaltar stürzen wollen. Wonnefried nahm ein letztes Mal die heiligen Handlungen vor. Dann umarmte sie Edron. Die beiden gingen zur steilsten Stelle des Berges, küssten sich und befahlen ihre Geister dem Allvater Wotan. Danach stürzten sie sich in den Abgrund. Als am nächsten Morgen die Christen kamen, fanden sie die Priester umschlungen tot am Felsen liegen. Heimliche Anhänger hatten sie mit Blumen umlegt. Es wird aber auch erzählt, dass dies die Zwerge getan hätten. Die christlichen Priester zerstörten bei hellem Sonnenschein den Wotansaltar und warfen die Steine den Berg hinunter. Es heißt, dass die Neubürg sargförmig sei, weil darunter der Gott Wotan begraben liege.
© www.menedemos.de